Ein Vergleich zwischen dem Leben und einer Pilgerreise

Das Leben gleicht einer Pilgerreise

Ich entdecke in meiner Pilgerreise so viel Parallelen zu meinem Leben, dass ich es gerne in einem Blogbeitrag zusammenfassen wollte um es zu teilen und für mich einfach einmal niedergeschrieben zu haben.

Vielleicht geht es ja dem einen oder anderen von Euch genauso wie mir.

 

 

Der Entschluss bzw. die Befruchtung

Der Entschluss den Jakobsweg zu gehen könnte man mit der Befruchtung der Eizelle vergleichen. Da schließen sich zwei in inniger Umarmung zusammen um daraus ein neues Leben entstehen zu lassen. Ein Leben, dass wiederum das Leben der beiden Beteiligten komplett verändern wird.

Da ist der Mensch und sein Gedanke den Jakobsweg zu pilgern, dass sind die beiden Beteiligten die in inniger Umarmung das neue Leben, den Pilgerpfad, entstehen lassen. Diese Pilgerreise wird so wohl den Menschen als auch dessen Gedanken komplett verändern.

Die Vorbereitung bzw. Kindheit und Jugend

Aus dem Gedanken ist Realität geworden. Ein geeigneter Rucksack, Wanderschuhe, Schlafsack, Wanderstöcke, Regenjacke, Trekkinghose und Shirt sind gekauft. Die Tour ist abgesteckt, der Pilgerführer gekauft, die ersten Unterkünfte sind geklärt. Die Anreise wurde organisiert und nun geht es los, auf nach Frankreich in die Pyrenäen – auf nach Saint-Jean-Pied-de-Port.

Aus dem Gedanken ist Realität geworden, das Kind wurde geboren und macht nun die ersten Schritte im eigenen Leben. Es geht in den Kindergarten und später zur Schule um für das spätere Erwachsenenleben (dem Ernst des Lebens) gewappnet zu sein. Der Mensch fängt mit dem Berufsleben an, in dem er eine Ausbildung oder ein Studium beginnt.

Der Beginn der Pilgerreise bzw. der Ernst des Lebens

Zu Beginn der Pilgerfahrt kommt gleich eine sehr anstrengende Pilgeretappe über die Pyrenäen hinweg. Die erste Übernachtung auf völlig fremdem Terrain ist erst mal weit weg. Die Etappe erfordert viel Kraft und Ausdauer für einen langen Pilgertag.

Zu Beginn der Lebensphase die die Erwachsenen immer den Ernst des Lebens nannten wirft seine Schatten voraus. Mit viel Respekt wird der Teil dieses Lebens begonnen. Es erfordert viel Kraft und Ausdauer um die langen Arbeitstage und die neuen Anforderungen zu meistern.

Neue Etappen formen die Pilgerreise bzw. die Herausforderungen sind jetzt anders

Jeder neue Tag birgt für mich eine neue Etappe. Eine Pause gibt es nur zwei, drei Mal am Tag. Was die morgige Etappe für mich bereit hält, weiß ich heute noch nicht. Welche Herausforderungen morgen auf mich warten, weiß ich heute noch nicht. Fremdes Terrain – fremde Kultur.

Jeden Tag immer wieder aufs Neue geht es zur Arbeit oder zur Uni. Eine Pause gibt es nur in den Ferien bzw. im Urlaub. Was der morgige Tag bringt weiß ich heute noch nicht. Was für Herausforderungen auf mich warten weiß ich heute noch nicht.

Fremde Menschen begleiten mich bzw. fremde Menschen treten in mein Leben

Ich treffe auf Pilger aus aller Herren Länder, Spanien, Italien, England, Korea, USA und Japan. Das ist interessant und auch völlig neu. Auch viele Deutsche treffe ich. Und einige Menschen begleiten mich auf meinem Jakobsweg mehrere Etappen, andere nur wenige Minuten oder ein paar Stunden. Das ist einfach so und bedarf keinerlei Bewertung.

Im Leben treffe ich Menschen der unterschiedlichsten Herkunft. Manche sind nett, andere treu, manche stark und einige großzügig. Es gibt jedoch auch die Geizigen und die Nervigen, die Schwachen und letztlich auch die Untreuen. Manche begleiten mich in meinem Leben lange, quasi über Jahre, andere nur ein paar Tage, manche nur auf der Arbeit und einige mein Leben lang.

Wo ich meinen Hut ablege da ist mein Zuhause…

Wo ich nach einer schweren Etappe übernachte und meine Energiereserven wieder auffülle ist sehr unterschiedlich. Ich habe ganz spartanische Herbergen in denen ich mit hunderten anderer Pilger übernachte bis zur luxuriösen Unterkunft mit Pool und Garten und Pilgermenü alles dabei. Auf dem Pilgerweg habe ich nur eine kleine Auswahl die ich selber treffen kann – den Rest übernimmt jemand anders für mich.

Wo ich im Laufe meines Lebens leben werde kann ganz unterschiedlich sein. Vom Zimmer in der Uni-WG bis zum Einfamilienhaus mit Garten und Pool. Auf meinem Lebensweg habe ich eine gewisse Wahl die ich treffen kann – den Rest übernimmt jemand anders.

Was ich zu mir rufe, dass werde ich bekommen…

Wenn ich auf der Pilgerreise mit dem Wetter hadere, ob es nun regnet oder die Sonne brennt, bekomme ich als weitere Prüfung genau das worin ich weiter geprüft werden darf. Wenn ich so weit bin etwas loslassen zu können, dann ist die Prüfung bestanden.

Wenn ich auf meinem Lebensweg mit den Umständen hadere, ob es nun die verweigerte Beförderung ist oder das Reh das auf dem Nachhauseweg vor das Auto sprang, bekomme ich in ähnlicher Form als weitere Prüfungen vorgesetzt. Wenn ich bereit bin es loszulassen, dann habe ich meine Prüfung bestanden.

 

Wenn Du mir Deine gemachte Erfahrung mitteilen möchtest darfst Du gerne die Kommentarfunktion verwenden

0
Kategorie: Jakobsweg
Schlagwörter: , , , ,
3 Kommentare zu „Ein Vergleich zwischen dem Leben und einer Pilgerreise“
  • Jens sagt:

    Echt gut geschrieben! Ich habe mich teilweise erkennen können, im Leben wie auch auf dem Camino.
    Danke

  • Natalia sagt:

    Danke, dass sie mir die Worte für meine erlebte Gefühle auf den Pilgerweg gegeben haben, danke! Ich habe Hemmungen zu schreiben, Deutsch ist nicht meine Muttersprache, bin eine Perfektionistin und will mich perfekt artikulieren und korrekt schreiben. So wollte ich auch meine Pilgerweg gestalten…in meinen Augen ein Fiasko ….kurz vor dem Ziel (noch 4Etappen) habe ich abgebrochen…ich war von mir sooo enttäuscht…..bis ich Ihren Blog, erneuert nach meiner Rückkehr, gelesen habe….plötzlich hat es mich berührt. Ich habe es auch vor meiner Abreise gelesen, es war nichts, keine Berührung, es hat mich nicht gepackt…aber jetzt sehe ich, nein! ich spüre es deutlich.
    Die Gefühle, Hemmungen, Verbote, Ängste der letzten 40 Jahren in einen Kurzfilm von 2 Wochen…Es ist heftig!
    Danke!

  • JULahann sagt:

    Hallo Natalia,
    danke für Deine offenen Worte. Deine Worte haben mich berührt.
    Um zu schreiben brauchst Du keinen Perfektionismus – tue es einfach.
    Worte die vom Herzen kommen bedürfen keiner perfekten Artikulierung.
    Lieben Gruß
    Jan

Kommentar hinterlassen